Romània migratoria

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Schlagwörter: Carlo Tagliavini , Migration , Sprachkontakt , Sprachwechsel , Romania , Romanische Sprachen , Substrat , Transkulturation

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    Thomas Krefeld (2024): Romània migratoria, Version 2 (17.01.2024, 19:47). In: Korpus im Text, Serie A, 107182, url: https://www.kit.gwi.uni-muenchen.de/?p=107182&v=2
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1. Die Romania

Der Ausdruck Romania ist für die romanische Sprachwissenschaft außerordentlich nützlich. Denn er bezeichnet zusammenfassend alle Gebiete, in denen romanische Sprachen gesprochen werden. Wie es scheint, wurde er in programmatischer Absicht durch die gleichnamige Zeitschrift geprägt, die seit 1872 von Paul Meyer und Gaston Paris herausgegeben wurde (Link). So gibt Gaston Paris auch gleich in der Einleitung des ersten Bandes einen historisch-philologischen Kommentar: 

"On tira de Romanus le nom Romania, formé par analogie d’après Gallia Graecia Britannia, etc. L'avénement de ce nom indique d'une façon frappante le moment où la fusion fut complète entre les peuples si divers soumis par Rome, et où tous, se reconnaissant comme membre d’une seule nation, s'opposèrent en bloc à l'infinie variété des Barbares qui les entouraient. Ce nom était populaire et n'avait pas droit d’entrée dans le style classique; aussi l'époque où il nous apparaît pour la première fois est-elle évidemment bien postérieure à celle où il dut se former; les textes qui le donnent l'emploient uniquement par opposition au monde barbare devenu l'objet de toutes les craintes, la menace sans cesse présente à l'esprit.
La Romania avait à peine pris conscience d'elle-même qu'elle allait être ruinée au moins dans son existence matérielle." (Paris 1872, 13)

Den Erstbeleg des Ausdrucks identifiziert Gaston Paris in den Historiae adversus paganos  (416-418, VII, 43, éd. Havercamp. p. 585) des spätantiken Historikers Paulus Orosius ( *385 - † nach 418). Dieser Schüler des Kirchenvaters Augustinus zielte jedoch mit dem im Mittelalter stark rezipierten Text weniger auf sprachliche als vielmehr auf religiöse Verhältnisse, denn für ihn stand die christliche Romania im Gegensatz zur heidnischen Barbaria. Während sich der Terminus im philologischen Verständnis seit Gaston Paris schnell durchsetzte, wurden Subklassifizierungen erst sehr viel später vorgeschlagen. Eine bis heute (vgl. Kaiser 2014, Kap. 4, 82-83, Gabriel/Meisenburg 2017, Kap. 3.1, 50-53) weit verbreitete Dreiteilung scheint auf  Carlo Tagliavini 1959 zurückzugehen; sie unterscheidet auf  zeitlich-historischer und räumlicher Grundlage:

(1) die Alte Romania, d.h. den Teil Europas, der durch Lateinisch sprechende Römer romanisiert wurde, so dass sich die romanischen Sprachen entwickeln konnten;

(2) die Neue Romania, d.h. die Gebiete außerhalb Europas, die durch Romanisch sprechende Europäer (mindestens teilweise) romanisiert wurden, so dass  sich aus (1) historisch sekundäre Varietäten der romanischen Sprachenentwickeln konnten;

(3) die Verlorene Romania ('Romania submersa'), d.h. die ehemals romanisierten Gebiete Europas und Nordafrikas, die durch Sprecher anderer Sprachen entromanisiert wurden.

Es ist jedoch offensichtlich, dass diese Dreiteilung nicht hinreichend ist, um alle romanischsprachigen Milieus zu erfassen, denn  zahlreiche Personen aus (1) und (2) leben nicht dort, wo ihre romanischen Sprachen entstanden sind, sondern in anderssprachiger,  romanischer oder nicht romanischer Umgebung (vgl. z.B. zu Brasilien Veiga 2021 und wikipedia, zu Portugal Observatorio, zu Rumänien IOM Romania, zu Italien Licata 2022). Man sollte daher eine weitere Gruppe unterscheiden, die als:

(4) Migrationsromania

bezeichnet werden könnte.1 Aber bei genauerem Hinsehen ist diese Bezeichnung zwar in synchronischer Perspektive  gerechtfertigt; diachronisch betrachtet ist sie jedoch inkonsistent, denn auch die drei anderen Gruppen sind migratorisch konditioniert. Zudem ist die Abgrenzung zwischen den drei Gruppen keineswegs überall klar und gerade die problematischen Fälle spiegeln ebenfalls Migrationsprozesse. Man kommt daher nicht umhin festzustellen, dass die Romania als solche, in all ihren historischen Erscheinungsformen, migratorisch geprägt ist. Das Adjektiv migratoria im Titel (und im Titelbild) dieses Beitrags spezifiziert also nicht einen Teil der Romania, sondern charakterisiert sie als ganze.

2. Der migratorische Impact

Ganz selbstverständlich ist der Ausdruck Migration freilich nicht; es handelt sich um Formen der Mobilität, die eine dauerhafte, sich saisonal wiederholende oder befristete Verlagerung des alltagsweltlichen Lebensmittelpunktes implizieren. In diesem Sinne gilt eine rein touristische, alltagsweltliche irrelevante Mobilität nicht als migratorisch; dasselbe gilt für die Alltagswelten von Pendlern, die sich periodisch zwischen festen, aber getrennten Wohn- und Arbeitsorten bewegen. Allerdings wäre es zu eng, Migration nur als Oberbegriff von Immigration und Emigration zu fassen; diese beiden Ausdrücke setzen (wie übrigens auch der Tourismus) eine grundsätzlich ortsfeste Alltagswelt voraus, die entweder verlassen wird (Emigration) oder der beigetreten wird (Immigration). In nicht demokratisch organisierten Gesellschaften werden auch hoheitlich verfügte Formen von Zwangsmigration praktiziert, etwa in Gestalt von Umsiedlung, Vertreibung oder Verschleppung.

Grundsätzlich an bestimmte Orte gebunden – wenngleich nicht fest – sind auch Alltagswelten, die periodisch zwischen mehreren Orten migrieren, wie z.B. die traditionelle Fernweidewirtschaft (Transhumanz) mit jeweils unterschiedlichen und durchaus weit voneinander entfernten Winter- und Sommeraufenthaltsorten (vgl. Beuermann 1967, Kahl 2008, Krefeld 2020ac).

Darüber hinaus gibt es jedoch auch nicht ortsgebundene Formen der Mobilität wie den Nomadismus oder auch aktuelle Formen der Migration aus unterschiedlichen, auch frankophonen und lusophonen afrikanischen Ländern, die nicht unbedingt auf Immigration in bestimmte, feste Zielregionen und -kulturen ausgerichtet sind, und die mehrere Monate oder gar Jahre dauern: "durante il viaggio può costruirsi una percezione di gruppo e una dinamica identitaria che gioca un ruolo importante anche successivamente" (D'Agostino 2021, 136). Es ist klar, dass dergleichen "traiettorie" eine Lebensform sui generis darstellen, die mit den modernen, territorial fest institutionalisierten Flächenstaaten schwer vereinbar ist. 

Das folgende Schema skizziert die genannten Ausprägungen von Mobilität:

Mobilität und Migration

Die ethnographische und ethnolinguistische (vgl. Krefeld 2021e) Relevanz von Mobilität im Allgemeinen und von Migration im Besonderen steht außer Frage. Aber abgesehen vom Nomadismus, der in der Romania ohnehin keine Rolle spielt, sind die unterschiedlichen Ausprägungen der Mobilität nicht per se konstitutiv für ganze Ethnien; unter spezifischen historischen Bedingungen können sie jedoch durchaus ethnogenetisches und/oder glottogenetisches Potential entwickeln (vgl. DEFAULT und DEFAULT).

2.1. Die Alte Romania

Die enorme territoriale Expansion des Römischen Reichs impliziert unterschiedliche Formen von Mobilität und Migration, die insbesondere in der Organisation des Militärs durchaus massenhaften Charakter hatte. Umfangreiche Kontingente werden fern von den Herkunftsgebieten der Legionäre stationiert, unter Umständen verlegt und nach Dienstende als Veteranen (vgl. Schneider/S. 2006) angesiedelt. Ein spezielle Rolle spielten die Auxiliartruppen, die sich ja per definitionem nicht aus römischen Bürgern rekrutierten und zudem seit augusteischer Zeit ethnisch heterogen zusammengesetzt waren:

"Es war die Leistung des Augustus, viele Einheiten aus verschiedenen Stämmen oder Völkern in das röm. Heer einzugliedern und somit systematisch ein großes Reservoir an Soldaten und mil. Fähigkeiten zu nutzen. [...] Spätestens im 1. Jh. n. Chr. bestanden die meisten a[uxilia]. vermutlich aus Soldaten, die in Gebieten wie Belgica und Pannonia, später auch aus an den Militärlagern angrenzenden Ländereien rekrutiert worden sind. Damit wurde mit Ausnahme einiger spezialisierter Krieger wie den syr. Bogenschützen der homogene ethnische Charakter der a. nach und nach aufgegeben. Im Jahre 23 n.Chr. waren die a. scheinbar ebenso zahlreich wie die Soldaten der Legionen (Tac. ann. 4,5)." (Campbell 2006)

Sowohl im Fall ethnisch heterogener wie auch homogener Truppen2 darf man davon ausgehen, dass Latein weithin, wahrscheinlich sogar vorwiegend nicht als L1 sondern als mehr oder weniger gut beherrschte L2 gesprochen wurde. Der ausgeprägte typologische Wandel vom Lateinischen zum Romanischen (in Gestalt des sogenannten Vulgärlateinischen) ist in einem solchen L2-Ambiente selbstverständlich. Nicht weniger selbstverständlich ist der gleichzeitig stattfindende Transfer kultureller Techniken, der nicht als eine einseitige Akkulturation der romanisierten Bevölkerung an die Römer verstanden werden darf, sondern der – wenngleich kaum in gleichem Maße – gegenseitiger Natur war und deshalb als ‘Transkulturation’ zu sehen ist (vgl. zu diesem Konzept  Ortiz Fernandez 1940 und Krause 2016); dafür liefern Entlehnungen aus regionalen Susbtratsprachen ins Lateinische eindeutige Belege, wie exemplarisch für viele gall. cĕrĕvĭsia Bier’ (REW 1830) oder gall. *tōma ‘eine Art Käse’ ( REW 8770) zeigen.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich die romanische Sprachlandschaft wohl von Anfang als stark fragmentiertes Kontinuum lokaler Varietäten konsolidierte. Diese ‘Dialekte’ sind historisch primär, denn sie sind älter als die erst seit dem 16. Jh. entstehenden und in diesem Sinne historisch sekundären Standardvarietäten (‘Französisch’, ‘Italienisch’ usw.), die sich dann wie Dächer (Dachsprachen) über politisch und institutionell definierte Ausschnitte des Kontinuums legten und ihre Namen im Gefolge den überdachten Varietäten vererbten, so dass man von ‘französischen’, ‘italienischen’ usw. Dialekten spricht.

Alte Romania

Es ist ferner nicht auszuschließen, dass auch Migrationsbewegungen, die womöglich durch den Zusammenbruch der römischen Infrastruktur 476 bzw. 486 n. Chr. ausgelöst wurden, Einfluss auf die sich bereits konsolidierende romanische Sprachlandschaft nahmen. So wollte Ernst Gamillscheg die Entstehung des Friaulischen aus einer sekundären Romanisierung erklären; nach dieser Auffassung war das Friaul in Folge einer Verwüstung durch Awaren "am Beginn des 7. Jhdts." entvölkert (1934-1936a, II, 179) und wurde durch Romanen aus dem Noricum neu besiedelt, die durch "die Slaweninvasion um die Wende des 6. zum 7. Jhdt." (1934-1936a, II, 270) zur Auswanderung gezwungen worden waren. Zwar kann diese These in ihrer apodiktischen Formulierung nicht mehr vertreten werden (vgl. Melchior 2018, Link), aber grundsätzlich darf man doch mit einer Zuwanderung von Romanen aus den von Slawen und Germanen eingenommenen Gebieten rechnen, wenngleich man auch nicht von einer sehr raschen und vollkommenen Entromanisierung der verlorengehenden Gebiete, sondern von einer regional unterschiedlich langen Zweisprachigkeit ausgehen sollte (vgl. DEFAULT).

2.2. Die Neue Romania

Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert wurden Varietäten der Alten Romania im Zuge des europäischen Kolonialismus auf andere Kontinente, vor allem nach Amerika und Afrika gebracht. Sie sind dort zwar als ‘portugiesisch’, ‘spanisch’ oder ‘französisch’ zu identifizieren; allerdings sind die Unterschiede zu etwaigen Inputvarietäten so deutlich, dass man von einer neuen Neuen Romania spricht. Selbst in Fällen, wo sich ungefähre Herkunftsregionen abzeichnen, ist es unmöglich, spezifische Herkunftsvarietäten und nicht nur Bündel von Merkmalen (Varianten) zu bestimmen.

Neue Romania

Im Rückblick kann man feststellen, dass in der neuen Neuen Romania de facto auch alte Merkmale der Inputvarietäten konserviert und unter Umständen revitalisiert wurden. Ein gutes Beispielspiel dafür sind die Bergnamen morne und piton auf der französischen Insel La Réunion im Indischen Ozean. Beide finden sich im heutigen Fankreich nur ganz sporadisch, sind jedoch im département d'outre mer dominant vertreten (vgl. diese Karte https://www.kit.gwi.uni-muenchen.de/?p=54338&v=0#subchapter:4-2-berge).

Deutlich komplexer waren die Entwicklungen Vorgänge im Hinblick auf die Entwicklung von Kreolsprachen auf der Basis der kolonialen romanischen Varietäten. In der Regel werden die Kreolsprachen zwar nicht zur Romania gerechnet; das historische Szenario ist jedoch grundsätzlich mit der Entstehung und Entwicklung der neuen Neuen Romania verschränkt, wie sich gerade auch am Beispiel von La Réunion zeigen ließe. Allerdings kommt mit der zwangsweisen Migration, der Verschleppung, der afrikanischen Sklaven ein anderer Typ von Mobilität ins Spiel, der darüberhinaus eine verstärkte sprachliche Dynamik freisetzte: Einerseits wurden die afrikanischen Sprachen aufgegeben und anderereseits wurden die Kolonialvarietäten nicht einfach übernommen, sondern durch die Kreolisierung typologisch so massiv verändert, dass die entstandenen Kreolsprachen nicht mehr als Varietäten der Kolonialsprache, sondern als eigenständige Sprachen angesehen werden (vgl. Kaiser 2014, 26-27).

Kreolisierung in der Neuen Romania

2.3. Die Verlorene Romania

Sprachwechsel - hier: vom Romanischen zu anderen Sprachen - ist zwar nicht per se, aber in aller Regel migratorisch bedingt. Allerdings darf man durchaus mit Phasen mehr oder weniger langer Zweisprachigkeit rechnen, bevor eine Gemeinschaft eine traditionell gebrauchte Sprache ganz aufgibt. Lehrreich ist die heute niederländisch- und deutschsprachige Romania Submersa. Sie zeigt nicht nur eine deutliche Kontinuität von Orts- und Gewässernamen über den Sprachwechsel hinaus, sondern sie ist gleichzeitig die Gegend, in der zahlreiche lateinisch-frühromanische Wörter in die germanischen Varietäten der Immigranten entlehnt wurden (vgl. Krefeld 2020s).  Damit waren zweifellos Prozesse einer komplexen Transkulturation und womöglich – wie im Falle der Bajuwaren – einer originären Ethnogese verbunden (vgl. Fehr/Heitmeier 2014 (2012),  Steinacher 2018  und Haberstroh/Heitmeier 2019).

Verlorene Romania (Gallia, Germania, Raetia, teilw. Noricum)

Übrigens gingen auch in der Neuen Romania manche Gebiete verloren. Betroffen ist insbesondere das Französische in Nordamerika; denn es ist in Louisiana und vor allem in Vermont und Maine (man beachte die französischen Namen dieser Bundesstaaten) weitestgehend verschwunden.

3. Migratorisch induzierte Komplikationen

3.1. Alte Romania in der Verlorenen

Das Konzept der 'Alten Romania' setzt regionale, wenn nicht lokale Kontinuität des aktuell gesprochenen Romanischen seit der Antike voraus. Im Einzelnen sind die Verhältnisse jedoch nicht immer selbstverständlich. Einschlägig ist der Fall des Rumänischen. Unter diesem Sprachnamen werden traditionell meistens die vier Gruppen des südosteuropäischen  Romanischen zusammengefasst: das Istrorumänische, das Aromunische, das Meglenorumänische und das Dakorumänische (vgl. diese Karte). Alle vier Gruppen werden im ehemaligen Imperium Romanum gesprochen; nur das Dakorumänische greift weiter nach Osten und Nordosten aus, denn der heutige Osten Rumäniens (Oltenien, Muntenien und die Moldau) gehörten ebenso wenig zur Provinz Dacia wie die Ukraine, wo es kleinere rumänischsprachige Gruppen gibt.

Die Kontinuität des Rumänischen ist allerdings auch im ehemals römischen Gebiet Rumäniens, nämlich der ehemaligen Provinz Dacia, durchaus problematisch; es gehört zu den ‘klassischen’ Problemen der romanischen Sprachgeschichte und kann hier unmöglich im Detail aufgerollt werden (vgl. Lüdtke 2005, 415-437, Windisch 1981, Windisch 2020). Grosso modo (vgl. genauer Krefeld 2021m) präsentiert sich die Situation folgendermaßen: Zwar hatten die Römer seit Einrichtung der Provinz (107 n.Chr.) eine durchaus beträchtliche Infrastruktur im zentralen Siebenbürgen aufgebaut, wie ein Blick in das exhaustive kartographische Portal der archäologischen Fundstellen vici.org zeigt:

römische Infrastruktur in der Provinz Dacia (seit 107 n. Chr.) (interaktive Originalkarte <https://vici.org/#7/45.40492106270213,22.80488766512357>)

Es gibt jedoch gute Gründe für die Annahme, dass die Kontinuität im norddanubischen Gebiet (ehemals Dacia) nach der Aufgabe der Provinz um 270 n.Chr. abgerissen ist; in diesem Sinn äußern sich bereits antike Historiographen (vgl. die Zusammenstellung der Quellen in Brodersen 2020, 196-200). Wenn es so gewesen wäre, wäre die heutige Verbreitung Ergebnis einer sekundären, ‘neuen’ Romanisierung im Verlauf des Mittelalters. Dafür spricht zunächst die Tatsache, dass sich kein einziger lateinischer Ortsname der Provinz Dacia erhalten hat. Dieser Befund steht in radikalem Gegensatz zu großen Teilen der Verlorenen Romania in Nordwesteuropa, wo gerade ein ganz deutliches lateinisch-romanisches Namensubstrat aufgedeckt werden kann, das auch eine kontinuierliche Nachnutzung der antiken Infrastruktur erkennen lässt, wie der Ortsname Weil  < lat. villa ‘Landgut’ in Süddeutschland exemplarisch zeigt (vgl. Krefeld 2020s, Link). Daraus kann man nur den Schluss ziehen, dass die römische Infrastruktur im norddanubischen Dakien nicht kontinuierlich nachgenutzt wurde.

Allerdings darf man deshalb nicht auf eine völlige Entvölkerung der ehemaligen Provinz Dacia schließen; denn im Unterschied zu den Toponymen zeigt sich eine eindeutige Kontinuität der Hydronyme: die Namen der großen Flüsse, die gerade in weiträumiger Perspektive eine besondere Rolle für die Orientierung spielen, setzen antike Namen ganz überwiegend vorrömischen Ursprungs fort, deren lateinischen und/oder griechische Varianten uns bekannt sind:

antik   rumänisch ungarisch deutsch
lat. Pathissus, Tisia (Link > Tisa  Tisza Theiß
lat. Crisia (Link > Criș Körös Kreisch
lat. Maris, griech. Μάρισος (Link) > Mureș Maros Mieresch
lat. Tibiscus, griech. Θίβισις (Link) > Timiș Temes Temesch
lat. Alutus (< ? lat. lutum ‘Lehm’; Link) > Olt Olt Alt

Die Hydronyme müssen also über die kurze Zeit der Zugehörigkeit zum Römischen Reich hinweg tradiert worden sein, was eine kontinuierliche Nutzung des Raums auch jenseits der Infrastruktur nahelegt.

Ein bemerkenswert schlüssiges Bild ergibt sich nun, wenn man den onomastischen Befund einer toponomastischen Diskontinuität in Verbindung mit hydronomastischen Kontinuität in einen ethnolinguistischen Kontext stellt. Das Rumänische, oder genauer gesagt: die vier bereits erwähnten südosteuropäischen romanischen Dialektgruppen zeichnen sich nämlich durch eine substratale Lexik aus, die ein ethnographisch spezifisches Profil ohne Parallele im Rest der Romania erkennen lässt: Vorlateinische Typen finden sich (häufig mit Entsprechungen im Albanischen) in zwei onomasiologischen Bereichen, einerseits in der Domäne PASTORALKULTUR (vgl. dazu Dahmen 2020) und andererseits im frequenten Wortschatz aus der Domäne FAMILIE und GEFÜHL. Die folgende, unvollständige Tabelle auf der Grundlage von Russu 1981a, wo jeder Typ sehr detailliert und auf solider lexikographischer Grundlage diskutiert wird, gibt einen Überblick:

PASTORALKULTUR
SENN dakorum. baciu
istrorum. bațe
aromun. baciu
meglenorum. baciu
alban. batsë, baç
SCHÄFERHÜTTE dakorum. stână
istrorum.  
aromun. stână
meglenorum.  
alban. stan
MELKPFERCH dakorum. strungă
istrorum.  
aromun. strungă
meglenorum. strungă
alban. shtrungë
PFERCH dakorum. țarc
istrorum.  
aromun. țarcu
meglenorum.  
alban thark
LAMM dakorum. daș
istrorum.  
aromun. daș
meglenorum. daș
alban dash HAMMEL
HORNLOS dakorum. șut
istrorum.  
aromun. șut
meglenorum. șut
alban. shut
(LAB)MAGEN dakorum. rînză
istrorum.  
aromun. rîndză
meglenorum.  
alban. rëndës
SÄUERLICH, GELBLICH dakorum. sarbăd
istrorum.  
aromun. salbit
meglenorum.  
alban. tharbët
KÄSEMADE dakorum. strepede
istrorum.  
aromun. strepede
meglenorum. strepij
alban. shrep 'Wurm'
SCHAFZECKE dakorum. căpușă
istrorum.  
aromun. căpușe
meglenorum. căpușă
alban. këpushë
VLIES dakorum. (Moldau) bască 
istrorum.  
aromun. bască
meglenorum. bască
alban. bashkë
SUMPF, TEICH dakorum. baltă
istrorum.  
aromun. baltă
meglenorum. baltă
alban. baltë
ANHÖHE dakorum. măgură
istrorum.  
aromun. măgură
meglenorum.  
alban. magullë

Bemerkenswert sind aber auch mutmaßliche Substratwörter aus dem Bereich der GEFÜHLE und der FAMILIE, wie z.B. die folgenden:

FAMILIE / GEFÜHL
SÄUGLING dakorum. prunc
istrorum.  
aromun. pruncu
meglenorum.  
alban.  
KIND dakorum. copil 
istrorum.  
aromun. copil 
meglenorum. cópil 
alban. kopil 
GREIS dakorum. moș
istrorum. moș
aromun. moșu
meglenorum. moș
alban. mo(t)shë
FREUEN dakorum. bucura 
istrorum.  
aromun. bucur(are)
meglenorum. bucur
alban. bukurë  SCHÖN
HERD dakorum. vatră
istrorum. vatră
aromun. vatră
meglenorum. vatră
alban. vatrë

Schließlich sei der Bedeutungswandel von lat. familia > rum. femeie ‘Frau’ erwähnt, denn er reflektiert die zentrale Stellung der Frau in der Familie und indirekt die Abwesenheit der Männer, die sehr gut zur Tradition der Transhumanz passt.

Man beachte in geolinguistischer Hinsicht die Übereinstimmung der süd- und norddanubischen Idiome, sowie die zahlreichen albanischen Entsprechungen. Es muss entweder von einem gemeinsamen Substrat beider Sprachgruppen ausgegangen werden oder aber von Entlehnungen genuin albanischer Elemente ins Romanische/Rumänische bzw. in umgekehrter Richtung aus dem Romanischen/Rumänischen ins Albanische. Da es bei den Albanern anscheinend keine großräumige Transhumanz gab, die der bekannten und stark ausgeprägten rumänischen Tradition vergleichbar wäre (vgl. Beuermann 1967, Kahl 2008, Lucian 2019, Martonne 1904), ist die historische Rückführung aller Spielarten des südosteuropäischen Romanischen/Rumänischen auf eine Kontinuität nördlich der Donau keine plausible Option.

Vielmehr zeichnet sich das folgende Szenario ab: Die nach der Aufgabe der Provinz Dacia (ca. 270 n. Chr.) mindestens teilweise verbliebene lateinisch-romanische Zivilbevölkerung hat sich an die Reste der vorrömischen (dakischen) Lebensform akkulturiert. Diese basierte auf mobiler, nomadischer oder transhumanter Schafzucht und bewegte sich in einem weiten Gebiet sowohl nördlich als auch südlich der Donau; Furten, an denen auch große Herden den Strom überwinden konnten, sind zum Beispiel in Hârşova (an der unteren Donau zwischen Cernavodă und Brăila) gesichert (vgl. Nicolae/Nicolae 2006). Im Lichte einer solchen Entstehung des Rumänischen wäre es gar nicht sinnvoll, die Frage nach einer genau lokalsierbaren, ortsfesten Kontinuität zu stellen, da wir es in Südosteuropa eben mit einer mobilen alten Romania in einer teilweise, nämlich nördlich der Donau, verlorenen antiken Infrastruktur zu tun hätten. Im Fall der vier als Rumänisch bezeichneten Gruppen erwiese sich somit – in der Romania – das ethnogenetische Potential einer mobilen und damit migratorischen Alltagswelt.

3.2. Neue Romania in der Alten und teilweise Verlorenen Romania

3.2.1. Iberische Halbinsel

Man kann also nicht davon ausgehen, dass die romanischen Varietäten, die heute im Gebiet des ehemaligen Imperium Romanum gesprochen werden, ausnahmslos in direkter räumlicher oder gar lokaler Kontinuität zum ursprünglich ‘importierten’ Latein des jeweiligen Gebiets stehen, da mit sekundärer Verlagerung, Modifikation oder Überlagerung zu rechnen ist. Ein sehr bekannter Fall, der hier nicht im Detail beschrieben werden muss, ist die sekundäre und ‘neue’ Verbreitung der  ‘alten’ romanischen Varietäten aus dem Norden der Iberischen Halbinsel in den Süden, die im Zuge der sogenannten Reconquista und der damit verbundenen Wiederbesiedlung (repoblación’) stattgefunden hat (vgl. Metzeltin/Winkelmann 1992); wie es scheint, ist das Kastilische im Unterschied zu den anderen romanischen Varietäten ganz im Norden der Iberischen Halbinsel (Galizisch, Asturisch-Leonesisch, Aragonesisch und Katalanisch) überhaupt erst im Kontext dieser beginnenden militärischen und demographischen Expansion entstanden  (vgl. Kabatek/Pusch 2009, 258). Die unter der arabischen Herrschaft verbliebenen und teils in den Norden geflüchteten Sprecher des primären, ‘alten’ Romanischen, des sogenannten Mozarabischen, sind allem Anschein nach zu den anderen, sich nach Süden verbeitenden romanischen Varietäten gewechselt. In Gestalt des Kastilischen beginnt die ‘neue’ Romania gewissermaßen inmitten der  ‘alten’ und teils verlorenen.

3.2.2. Sizilien

Das historisch primäre sprachliche Kontinuum der ‘alten’ Romania wurde nicht nur in teilweise ‘verlorener’ durch ‘neue’ Reromanisierung erweitert (wie auf der Iberischen Halbinsel), sondern in anderen Gegenden auch durch mittelalterliche oder frühneuzeitliche Migrationsbewegungen deutlich modifiziert.

Ein bekanntes, aber erstaunlichweise in vergleichender Perspektive nicht hinreichend untersuchtes Beispiel ist die Ansiedelung galloitalischer Bevölkerung in Süditalien, vor allem  in Sizilien. Allein in den sizilianischen Erhebungspunkte des AIS zeichnet sich ein Kontinuum ab, das vom weitestgehenden Erhalt einer importierten galloitalischen Varietät mit entlehnten sizilianischen Merkmalen (z.B. in San Fratello, AIS 817) bis zu einzelnen galloitalischen Merkmalen reicht (z.B. San Michele di Ganzaria, AIS 875), die in sizilianische Varietäten entlehnt wurden (vgl. genauer und mit weiterführender Literatur Krefeld 2023e).

3.2.3. Sardinien

Ein besonders klarer Fall ist die Sprachlandschaft Sardiniens, wie sich ausgehend von einer einzigen Karte (AIS 892 LA FINESTRA, FENSTER) exemplarisch illustrieren lässt:

Symbole und Legende Th.K., Originalkarte https://navigais-web.pd.istc.cnr.it?map=892&point=938

Die erhobenen Bezeichnungen für dieses Konzept lassen sich vier etymologischen Typen zuordnen:

  1. ennigeɖɖu, enniceddu; dieser Typ ist zweifellos auf die antike Romanisierung zurückzuführen; es handelt sich genauer gesagt um einen Diminutiv von sard. enna ‘Tür’ < lat. ianua ‘Tür’ (vgl. REW Link);
  2. ventana, vontana; dieser Typ ist ebenso zweifellos kein Ergebnis der antiken Romanisierung, sondern eine Entlehnung des span. ventana (einer Derivation aus lat. vĕntus ‘Wind’; vgl. REW 9212, Link), die sich durch die jahrhundertelange Zugehörigkeit der Insel zum Königreich Spanien und die damit verbundene Präsenz von Hispanophonen leicht erklären lässt;
  3. balkoni, baχχone usw., eine Entlehnung aus dem Genuesischen bzw. Ligurischen, wie es aus dem entsprechenden Ausschnitt derselben Karte ergibt; es handelt sich um einen Germanismus, wohl  < langobard. balko, palko ‘Balken’ (vgl. REW 907, Link); da es keinerlei Hinweise auf die Anwesenheit von Langobarden oder anderen Germanen gibt, muss das Wort während der ebenfalls langen Zugehörigkeit des nördlichen Teils der Insel zur Republik Genua (vgl. dazu Krefeld 2023d), die selbstverständlich ebenfalls mit dem Zuzug zahlreicher Genuesen verbunden war, entlehnt worden sein; 
  4. fenesta, fronesta usw., ein etymologisch eindeutiger Typ < lat.  fĕnĕstra ‘Fenster’, dem kat. und tosk. finestra entsprechen (vgl. REW 3242, Link); es könnte sich also ebenfalls um Entlehnungen handeln, die wegen der Zughörigkeit großer Teile Sardiniens (vor allem des Südens) zur Republik Pisa (vgl. Krefeld 2019ag) und anschließend zum (weitgehend katalanischsprachigen) Königreich Aragón sehr plausibel wären; allerdings zeigt die Variante fronesta die typisch sardische Metathese des [r] aus der letzten in der erste Silbe, so dass eine Rückführung dieser Variante auf die antike Romanisierung nicht ausgeschlossen werden kann; dazu gibt es keine toskanischen oder katalanischen Parallelen (vgl. ALDC, II, Karte 240, Link).

Über das punktuelle Beispiel hinaus ist bekannt, dass der Dialekt der sardischen Stadt Sassari massiv genuesisch beeinflusst wurde (vgl. Toso 2019c) und dass der Norden Sardiniens (die sogenannte Gallura) durch zahlreiche Einwanderer aus Korsika geprägt wurde, das seinerseits ebenfalls jahrhundertelang zur Republik Genua gehörte. Im Übrigen gibt es bis heute in Sardinien eine katalanische (Alghero) und eine genuesisch/ligurische Sprachinsel (Carloforte und Calasetta; vgl. Toso 2017a).

3.2.4. Sepharden

Zur neuen Romania in Europa gehören auch die Varietäten der spanisch- und portugiesischsprachigen Juden, die 1492 aus Spanien und 1497 aus Portugal vertrieben wurden und die ihre iberoromanischen Varietäten in eine äußerst weiträumige Diaspora mitnahmen und dort beibehielten. Diese sogenannten Sepharden (oder Spaniolen) siedelten sich in zahlreichen Städten in Nord- und Südosteuropa aber auch in Nordafrika und (teils über den niederländischen Umweg) auch in Südamerika an (vgl. allgemein Brenner 2019, 112-136, Bossong 2008b und  Sephiha 1997a); eine deutliche Varianz entwickelte sich durch Entlehnungen aus den ganz unterschiedlichen Kontaktsprachen der jeweils neuen Wohngebiete (vgl. den geolinguistischen Überblick in Quintana Rodríguez 2006 sowie Arnold 2006). Die folgende Karte zeigt die sephardischen Gemeinden im Osmanischen Reich, wo sehr viele Juden Zuflucht fanden:

3.3. Neue Romania in der Neuen

Schließlich gibt es auch innerhalb der Neuen Romania rezente und aktuelle Migrationsbewegungen, die regional mit erheblicher Variationsdynamik einhergehen. Einem besonders interessanten Gebiet in Südamerika, der argentinischen Provinz Misiones, ist ein von Joachim Steffen geleitetes Projekt gewidmet, der Atlas digital Lingüístico-etnográfico de la Región de Misiones (ALRM). 

Die argentinische Provinz Misiones

Dieses zwischen Paraguay und Brasilien liegende Gebiet ist durch eine massive Einwanderung sowohl aus Paraguay als auch aus Brasilien gekennzeichnet; daraus emergieren bemerkenswerte Kontaktvarietäten des Spanischen wie des Portugiesischen, in die angesichts der ausgeprägten Mehrsprachigkeit der Immigranten noch ganz andere Sprachen einfließen, vor allem das Guaraní aber auch der Dialekt nach Brasilien ausgewanderter Hunsrücker, die sekundär nach Misiones gezogen sind.

4. Fazit

Die Romania ist das Produkt vielfältiger und bis heute andauernder Migrationsprozesse. Der damit verbundenen, permanenten sprachlichen Dynamik wird die nachgerade klassische Dreiteilung in eine ‘alte’, eine ‘neue’ und eine ‘verlorene’ Romania, die den Ausgangspunkt dieses Beitrags bildete, nicht gerecht. Diese Einteilung ist explizit historisch, implizit räumlich fundiert und erweist sich schnell als inkonsistent, wie die angeführten Überlegungen und Beispiele zeigen. Die Konsequenzen sind klassifikatorischer und methodologischer Natur.

Im Hinblick auf die Klassifikation bietet es sich an, die räumliche Dimension in den Vordergrund zu stellen und die europäische von der außereuropäischen Romania zu unterscheiden. Dann ergibt sich, dass die heute außereuropäischen romanischsprachigen Gebiete zwar grundsätzlich nicht durch Römer romanisiert wurden und in diesem Sinn niemals ‘alt’, d.h. antik sind. Die heute romanischsprachigen Gebiete in Europa sind jedoch im Gegenzug nicht grundsätzlich alt, da sie teils auf nachantike Romanisierung durch nicht mehr Latein, sondern bereits Romanisch sprechende Migranten zurückgehen oder dadurch wenigstens deutlich geprägt wurden. Diese historische Komplikation lässt sich leicht darstellen, wenn man sie der räumlichen Dimension nachordnet:

Die Schlussfolgerungen im Hinblick auf die Methodologie sind fundamental; sie wurden allerdings nicht ausdrücklich thematisiert und können hier nurmehr angedeutet werden. Sie resultieren aus der Tatsache, dass die migratorisch induzierte Dynamik der Varietäten und Sprachen nicht im System angelegt ist, sondern vielmehr in der mehrsprachigen Kompetenz der involvierten Sprecher*innen. Die Romania, d.h. die romanischen Sprachräume dürfen grundsätzlich nicht als ‘geographisches’ Mosaik von Varietäten/Sprachen konzipiert werden, sondern als alltagsweltliches Miteinander von Personen, deren Repertoires sich niemals vollständig gleichen und oft stark variieren. Sprachliche Räume sind soziale, besser: kommunikative Räume (vgl. Krefeld 2004a, 19-36), sie werden von den Sprechern in der Kommunikation konstruiert und müssen von den Linguisten unter Beachtung eben dieser Sprecher rekonstruiert werden. Dafür sind die vor allem in der philologischen Tradition der Sprachgeschichtsschreibung zugrundegelegten Texte eine leicht trügerische Grundlage, die mit Vorsicht zu genießen ist; sie repräsentieren bestenfalls Schreibtraditionen und oft Idiolekte, jedoch keine Varietäten bzw. Sprachen.

Grundsätzlich wird auch das monumentale LRL von einer ähnlichen Konzeption getragen; denn die romanischen Sprachen werden dort ausgehend von der Alten Romania, nach Gebieten geordnet, differenziert beschrieben; im letzten, siebten, Textband, der übergreifenden Problemen gewidmet ist, wird dann unter anderem auch auf ‘Migration’ eingegangen.
Campbell 2006 nennt "kret. Bogenschützen, Schleuderer von den Balearen oder Reiter aus Numidien, Spanien oder Gallien"; vgl. dazu auch Burckhardt/Campbell 2006.

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