Das Oberdeutsche Etymologicon (ODE)

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Schlagwörter: Etymologie , Upper German

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  1. Referenz auf den gesamten Beitrag:
    Rosemarie Lühr (2018): Das Oberdeutsche Etymologicon (ODE), Version 1 (26.04.2018, 19:30). In: Thomas Krefeld & Stephan Lücke (Hrsgg.) (2018): Berichte aus der digitalen Geolinguistik (Korpus im Text 6), Version 1, url: http://www.kit.gwi.uni-muenchen.de/?p=17516&v=1
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1. Projektvorstellung

Das Oberdeutsche Etymologicon, abgekürzt ODE, ist ein Forschungsprojekt, das bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Lead-Agency-Verfahren gemäß D-A-CH-Abkommen beantragt worden ist. Beteiligt sind:

  • Deutschland Prof. Dr. Rosemarie Lühr (Humboldt Universität zu Berlin),
  • Schweiz Prof. Dr. Elvira Glaser (Universität Zürich),
  • Österreich Prof. Dr. Stephan Elspaß (Universität Salzburg).

Ein Dialektwörterbuch, das sich bei Etymologien auf dem neuesten Stand der Indogermanistik befindet, ist für weite Teile deutscher Dialekte ein Forschungsdesiderat. Im Zentrum steht der oberdeutsche Wortschatz, also der Wortschatz, der Österreich, die Schweiz und Süddeutschland (Bayern und Baden-Württemberg) gegenüber Mittel- und Norddeutschland verbindet, wie auch das langobardische Superstrat in Italien. Zu den in diesen Gebieten gesprochenen Dialekten Bairisch, Alemannisch, Langobardisch, Ostfränkisch kommen oberdeutsche Wortschatzelemente in Mitteldeutschland oder in Sprachinseln hinzu, alles Repräsentanten des Oberdeutschen, bei denen die Zweite Lautverschiebung grundsätzlich durchgeführt ist. Der oberdeutsche Wortschatz tradiert den umfangreichsten alten Wortbestand des Deutschen, nicht nur mit romanischen, sondern auch mit slawischen und möglicherweise keltischen Lehnelementen. Unter einem sprachhistorischen wortgeschichtlichen Aspekt rückt die Sprache der ländlichen bäuerlichen Bevölkerung, die Bauernsprache, ins Blickfeld. Sie weist die altertümlichsten Züge auf, weshalb ihr mit Recht von jeher das primäre Interesse der Dialektologen galt. Im ODE wird dieser Wortschatz in Sachgruppen gegliedert untersucht, also mit einem onomasiologischen Ansatz. Dahinter steht die Idee, „dass ... [nicht nur] jede Sprache, [sondern] auch jede Mundart, uns die Welt in ganz bestimmter Sicht darbietet“. „Dieses Weltbild [wird] in der Ausfächerung in einzelnen Lebensbereichen“ (Meng 1986) sichtbar und bietet Einblicke in kulturgeschichtliche Konstellationen. Die Weltbildanalyse erfolgt also anhand eines Dialektwortschatzes. Das zentrale Wortfeld von ODE ist „Der Mensch in Haus und Hof“. Erfasst werden zunächst substantivische dialektale Ausdrücke für Gegebenheiten, die unabhängig von der jeweiligen Region sind, also kulturelle Konstanten. Neben neutralen Wortschatzelementen gibt es hier auch solche expressiver Natur. Diese werden ebenfalls aufgenommen.

Das Vorhaben schließt an die in der Indogermanistik, Romanistik und Altgermanistik vertretene Forschungsrichtung für Sprach- und Sachenforschung an, welche die wechselseitigen Beziehungen zwischen den Wörtern und den von ihnen bezeichneten Gegenständen und Sachverhalten untersucht und auch bei VerbaAlpina (Leitung Thomas Krefeld, München) Leitidee ist. In Deutschland wurden die Ergebnisse der Wörter-und-Sachen-Forschung in der gleichnamigen kulturhistorischen Zeitschrift (1909-1944) vorgestellt. Rudolf Much, der Mitherausgeber dieser Zeitschrift, galt als ein Vertreter der kulturkundlichen Richtung der Etymologie. So hat er sich in "Wörter u. Sachen" z.B. über Etter, Gatter, Gitter, Maikäfer, Maiblume, Löwenzahn oder über Holz und Mensch geäußert und dabei etymologische Betrachtungen angestellt.

In ODE erfolgt jeweils eine metasprachliche Referenz (ein neuhochdeutsches standardsprach-liches Wort mit Bedeutungsangabe). Je nach oberdeutschem Dialekt wird auch deutlich gemacht, welche Begriffe innerhalb eines Teilwortfeldes durch Dialektwörter bezeichnet werden, wo dialektale Bezeichnungen nebeneinander existieren und so miteinander konkurrieren. Gekennzeichnet wird auch, an welchen Stellen eines Wortfeldes der standardsprachliche Gebrauch gilt. Aus der Gesamtbeleglage können so dialektale Konzepte (mit der Intension verknüpfte Eigenschaftsbündel) abgeleitet werden. Dabei stellt sich die Frage, ob deren Versprachlichung allgemein gilt oder auf bestimmte Dialekte beschränkt ist. Darüber hinaus werden die Dialektwörter in ihrer sprachhistorischen Schichtung und ihrer Verbreitung innerhalb der verschiedenen oberdeutschen Varietäten dargestellt. Die Daten werden kartographisch visualisiert. Dadurch wird z.B. deutlich, in welchen Teilwortfeldern Altertümliches bewahrt ist und in welchen oberdeutschen Dialektgebieten bestimmte Wörter erhalten oder ausgestorben sind. Publikationsform ist die Datenbank von VerbaAlpina, in der auch die alphabetische Ordnung herstellbar ist. Eine Kurzfassung erscheint in zwei Druckbänden „Der Mensch in Haus und Hof: Bd. 1: Kulturelle Konstanten. Bd. 2: Kulturelle Variablen“.

Ausgehend von einer Frage wie „Wie wird der Begriff ‚Gehöft‘ in den oberdeutschen Dialekten bezeichnet?“ verfolgt ODE vier Ziele:

  1. „Sprachvergleichende Etymologie mit Benennungsmotiv“,
  2. „Onomasiologische Gliederung des Wortschatzes nach heutigen Standards“,
  3. „Bestimmung von dialektalen Konzepten“ („Welche Eigenschaftsbündel sind bestimmend?“; „Welcher Begriff wird regional vs. überregional bezeichnet?“),
  4. „Kartographische Visualisierung von Verbreitung und Alter der zum Wortfeld ,Der Mensch in Haus und Hof‘ gehörigen Dialektwörter in den oberdeutschen Varietäten“

Der Schwerpunkt liegt auf der Etymologie. Besonders für Ziel 4) besteht Zusammenarbeit mit VerbaAlpina. Wir profitieren von der geolinguistischen Abbildung dieses Vorhabens und modifizieren die dort entwickelte relationale Datenbank; so gehen unsere Etymologien in die kartographischen Visualisierungen von VerbaAlpina ein Demjenigen, der etymologische Deutungen oberdeutscher Wörter sucht, bieten sich damit die gleichen Benutzungsvorteile wie dem Nutzer von VerbaAlpina: Er kann unterschiedliche Datenklassen aus einer Kategorie oder aus den unterschiedlichen Kategorien (z.B. außersprachliche [z.B. archäologische Befunde zu den langobardischen Gräberfunden] und sprachliche Daten [z.B. Ortsnamen; Metaphern für Geländeformen; Bezeichnungen für Körperteile]) auf synoptischen Karten kombinieren und kumulieren oder alle gallischen, slawischen Lehnwörter oder alle ererbten Wörter, alle Neubildungen in ihrer Georeferenz, ihrer Häufigkeit, in ihren Verbreitungswegen wie auch in ihrer sprachhistorischen Tiefe einsehen (http://www.verba-alpina.gwi.unimuenchen.de/?page_id=493&letter=K#kartographie).

ODE ist als Gegenleistung bei der Etymologisierung schwieriger oberdeutscher Wörter behilflich. Da Gebäudebezeichnungen (neben ,Milchverarbeitung‘, ,Vieh‘, ,Küche‘, ,Volksmedizin‘, ,Fauna‘, ,Flora‘, ,Bodenformationen‘, ,Klima‘) auch in VerbaAlpina Forschungsgegenstand sind, bezieht sich die Kooperation auch auf die Bereitstellung von Wortmaterial, z.B. des langobardischen Wortschatzes in Italien, der romanischen Substratwörter, der Slawismen. Des Weiteren ist von den in VerbaAlpina verfolgten Strategien (z.B. Ermittlung der Herkunftssprache der lexematischen Basis, Begründung der Zusammengehörigkeit aller unter einem „Basistyp“ vereinigten Typen; vgl. malg- malga ,Weide, Herde, Sennhütte‘, malgaro ,Senn‘ usw.) vor allem die Rekonstruktion von Entlehnungswegen für ODE relevant. Der Mehrwert, der sich aus der Zusammenarbeit von VerbaAlpina und ODE ergibt, besteht auch aus dem Austausch von noch nicht publizierten Daten. Gegenüber VerbaAlpina, das durch die Fokussierung auf das Alpengebiet ein Drittel des oberdeutschen Wortschatzes erfasst, erstrecken sich die Etymologien in ODE auf das Gesamtoberdeutsche.

2. Die einzelnen Module

2.1. Strukturierung

2.1.1. Teilwortfelder

Das Wortfeld „Der Mensch in Haus und Hof“ wird in ODE nach Teilwortfeldern strukturiert. Für die Strukturierung dieses übergeordneten Wortfeldes liefert diejenige, die in dem Akademievorhaben „ (Leitung R. Lühr), Bd. 1 „Der Mensch und sein Körper“, Bd. 2 „Der Mensch im Alltag“, Bd. 3 „Mensch und Mitmensch“ und "Deutsche Wortfeldetymologie in europäischem Kontext“ (DWEE) in der zugehörigen Datenbank entwickelt worden ist, die Basis; z.B. Mensch > Körper > Leib > Rumpf; Mensch > Körper > Leib > Gliedmaße > Bein; Mensch > Wohnen > Gebäude > Stall; Mensch > Wohnen > Gebäude > Stube. In der ersten Projektphase wurden folgende Teilwortfelder untersucht: „Der Mensch und sein Körper“; „Haus und Hof, Hausrat“; „Haus- und Nutztiere, Ungeziefer“. Auch das "Thüringische etymologische Wörterbuch" (THEW) (Leitung R. Lühr) verfolgt einen onomasiologischen Ansatz (Neri & Ziegler 2012). Für oberdeutsche Wörter, die bereits im Althochdeutschen bezeugt sind, ist das Akademievorhaben "Etymologische Wörterbuch des Althochdeutschen" (EWA) (Leitung R. Lühr) eine Hilfe (Lühr 1996; [Lloyd &] Lühr 1998; 2007; 2009; 2014; Lühr 2011; 2011a; 2012; 2012a; 2014; 2015).

2.1.2. Untergliederung

In den Teilwortfeldern wird unterschieden nach Hyperonymen, Hyponymen, Meronymen. Entscheidend für die Zugehörigkeit von Entitäten zu einer Kategorie ist die hinreichende Ähnlichkeit mit dem Prototyp. Dabei sind nicht alle Bedeutungsmerkmale gleich wichtig, vielmehr wird der innerste Kern eines Feldes von einem in einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Kultur verankerten Bündel von Kernmerkmalen gebildet. Die Feldgrenzen sind an den Rändern unscharf, weil die Gesamtorganisation des menschlichen Lexikons grundsätzlich auf Vernetzung angelegt ist. Auch gibt es für die Größe von Teilwortfeldern keinerlei abstrakt geltende Grenzwerte, denn jedes Wort ist durch Einzelmerkmale mit anderen Wörtern verknüpft. Grundsätzlich sind jeweils die Kohyponyme (z.B. „Stall“, „Stube“) die Hierarchieknoten; die Wörter in der darunterliegenden Feldebene, die Hyponyme (z.B. „Kuh-, Schweinestall“) und Meronyme (z.B. „Schweinetrog“), teilen dann jeweils mindestens ein Merkmal miteinander, das sie von den Wörtern unter anderen Kohyponymen unterscheidet.

Ein Hyponym kann dabei entlehnt oder autochthon, ein Simplex, ein Kompositum sein. Bei der Strukturierung von Teilwortfeldern ist weiterhin zu beachten, dass Basiskonzepte bezeichnet sein können, ohne dass ein zugehöriges Hyperonym besteht. Z.B. sind in den germanischen Sprachen Wörter für den Weber, den Walker, den Schneider, die Stickerin, den Färber bezeugt; ein Oberbegriff wie Textilarbeiter tritt aber erst sehr spät auf (Lühr 2015; 2015a).

Anders als nach der Prototypensemantik werden auch Antonyme, substituierbare und lautlich anklingende Wörter (z.B. Gekröse und Gemächt bei den Körperteilbezeichnungen) innerhalb der Teilwortfelder behandelt, weil auch solche Wörter vom Sprecher in irgendeiner Weise als „zugehörig“ zu einem Feld empfunden werden.

2.2. Wortbildung

Als Einheit des Wortfeldes dient die Wortart Substantiv. Denn „typische Substantive stellen einen absoluten semantischen Wert dar, er bedarf keiner obligatorischen Auffüllung durch weitere spezifische Prädikationen und Merkmale ... “ (Vogel 1996: 110). Ist ein Adjektiv oder ein Verb die Basis eines in ein Wortfeld aufgenommenen Substantivs, wird die Art der substantivischen Wortbildung bestimmt und die Basis etymologisiert. Namen werden aufgenommen, sofern sie als Appellativa (Gattungsbezeichnungen) gebraucht werden; z.B. mfränk. (Windsheim) Zabedɑ̻̈̄us, männliches Glied, Penis‘.

2.2.1. Neutraler und expressiver Wortschatz

Innerhalb der Teilwortfelder trennen wir nach neutralem und expressivem Wortschatz. Die expressiven Ausdrücke sind in der Minderzahl und stehen den Wörtern mit deskriptiver Bedeutung gegenüber; vgl. bayerisch-schwäbisch Keiche ,kleines, altes/baufälliges/armseli-ges/ Haus‘ (schon bei Adelung als oberdeutsches Wort gekennzeichnet). Die Scheidung nach neutralen und expressiven Wörtern ergibt den jeweiligen Anteil pro Teilwortfeld und kann zum Vergleich mit der Distribution in anderen deutschen Dialekten, der Standardsprache, aber auch in anderen Sprachen dienen (Lühr 2014). Besonders bei Körperteilbezeichnungen und bei Bezeichnungen für den Menschen finden sich expressive Ausdrücke. Beispiele sind für deskriptiven (A.) und expressiven Wortschatz (B.) sind:

Bezeichnungen für Teile des Hauses

Neben‑, Lagergebäude

  • bair.-schwab. Schopf (der) = Scheune (DBS 585)
  • bair.-schwab. Stadel (der) = Scheune, Gebäude zur Lagerung von Heu/nicht gedroschenem Getreide/Stroh u.a. (DBS 620)
  • bair.-schwab. Tennen (der), Tenne (die) = Scheune, Gebäude zur Lagerung von Heu, nicht gedroschenem Getreide, Stroh (DBS 649)
  • bair.-schwab. Salett, Salettel (das) = größeres Gartenhaus, bes. bei Gasthäusern (DBS 534)
  • bair.-schwab. Schopf (der) = Schuppen, Geräteschuppen, Wagenschuppen (DBS 584)
  • bair.-schwab. Schufe, Schupfe, (die), Schupfen (der) = Schuppen, Geräteschuppen, Wagenschuppen (DBS 591)
  • schwäb. baarn, barn = Kornscheune, Heuboden (Schmid 44)
  • unterfränk. Barnrute = Abteilung links und rechts der Tenne (WbUnterfrank 40)
  • alem. Balm = Raum in der Scheune zur Aufbewahrung von Getreide (SI 4, 1215)
  • alem. Brügi (die) = Garbenbühne (SI 5, 523, ZW 31)
  • alem. Gade (der) = Nebengebäude zum Stall (SI 2, 114, ZW 81)
  • alem. Gämmeli = Kleine Scheune oder Hütte auf den Weiden (SI 2, 299)
  • alem. Schüür (die) = Scheune (SI 8, 1210, BW 275)
  • alem. Stāfel (der) = Scheune, Schopf (SI, 10, 1394, SW 469)
  • alem. Tūn = Raum zw. Ober- und Unterbau im Speicher (SI, 13, 267)
  • alem. Vorhūs (das) = vor den Wohnräumen liegende Räume (SI 2, 1707)
  • expressiv alem. Lotterbūde (die) = baufällige Werkstatt (ZW 136, SI 4, 1037 [Būde])

Bezeichnungen für den Menschen

  • schwäb. trumpf m. = ein plumer, grober, bäurischer Mensch (Schmid 144)
  • schwäb. fädel m. = ein schlechter dürftiger Mensch (Schmid 173)
  • schwäb. fläz m. = ein aus Trägheit oder aus Bauernstolz untätiger Mensch (Schmid 195)
  • oberfränk. (Neustadt bei Coburg) Latschkapp ,unsinniges Zeug redender Mensch‘ (Bechmann-Ziegler 94)
  • oberfränk. (Nürnberg) Fabríkschlīttn = Gemeines Schimpfwort für Arbeiterin (Maas 29)
  • schwäb. Zerfer = Zänker, streitsüchtiger Mensch (SchwäbHWb 418)
  • Österreich. (Salzburg) Delsterling = Dummkopf, Schädel (Ziller 46)
  • schwäb. (Augsburg) Speltaherrgettle = auffallend zartgliedrige dürre Person (Schwäb.AugsburgWb 299)
  • alem. Bräschi (der) = dicker Mann (SI 5, 822, RM 44)
  • alem. berndeutsch Chnüderi (der) = kleiner, auch vierschrötiger zäher Mann (SI 3, 737, BW alem. baseldeutsch Chueri = Dummkopf (BM 66)
  • alem. baseldeutsch Drutti (das) = Plumpe, einfältige Frau (BM 88)
  • alem. Dubel, Tubel (der) = Dummkopf (SI 12, 152, BM 89, ZW 65)
  • alem. rheinwaldnerisch Früüschä (die) = energische Frau (RM 74)
  • alem. berndeutsch Gugaagg(i) (der) = Schwätzer (SI 2, 164, BW 155)
  • alem. Gure (die) = bösartige Frau (SI 2, 409, BM 156, BW 157)
  • alem. zürichdeutsch Knoot (der) = Grobian (ZW 126)
  • alem. zürichdeutsch Schättere (die) = alte hässliche Frau (ZW 189)
  • alem. baseldeutsch Tschamperlugge (die) = einfältiger, unzuverlässiger, geistig
  • alem. baseldeutsch Tschudeli (das) = nachlässige Frau (BM 88)
  • alem. baseldeutsch Zolgge (der) = sehr grober Mensch (BM 327)
  • Datenverarbeitung/Visualisierung

ODE präsentiert die elektronisch erfassten Daten eigenständig online, macht sie durchsuchbar und bindet sie in den Bestand bei VerbaAlpina ein.

2.2.2. Grundkonzept

Die Software "Dweedit" (entwickelt in "Deutsche Wortfeldetymologie in europäischem Kontext" (DWEE) ist eine Webapplikation. "Dweedit" baut im Wesentlichen auf dieselben Technologien, die auch beim Kooperationspartner VerbaAlpina eingesetzt werden: PHP mit (My)SQL-Datenbanken serverseitig, JavaScript mit AJAX clientseitig. "Dweedit" arbeitet jedoch, im Gegensatz zu VerbaAlpina, primär mit XML-Dateien. Sekundär werden SQL-Datenbanken verwendet, und zwar auf der Ebene publizierter "Dweedit"-Artikel. Das Versionierungssystem von "Dweedit" liefert folglich bereits die nötige Funktionalität, um alle Informationen aus den ODE-Artikeln in die SQL-Datenbanken von VerbaAlpina zu überführen. Nutzt man anschließend dieselben Datenbanken für ein ODE-Webfrontend, erfolgt ein solcher Export völlig redundanzfrei. Aus der Nutzung von XML und der Trennung von den SQL-Beständen in "Dweedit" ergibt sich als positiver Effekt, dass in die VerbaAlpina-Datenbanken nur publizierte (also fertige) Informationen aus ODE eingetragen werden. Auch sichert das primäre Format XML bei ODE Langzeit-Archivierbarkeit. Weiterhin sind Transformation sämtlicher Informationen aus XML in andere Formate möglich.

2.2.3. Realisierung

"Dweedit" wird auf den Servern des Kooperationspartners (der IT-Gruppe Geisteswissenschaften an der LMU) installiert. Obwohl es bereits viele der nötigen Funktionen unterstützt, sind weitere Entwicklungen notwendig. Zu ändern sind u. a. Editorfunktionen, Darstellungen im Redaktionssystem, Exportfunktionen inklusive SQL-Export. Auch arbeitet "Dweedit" mit UTF-8-Zeichenkodierung und bindet eine Sonderzeichentabelle nach Nutzererfordernissen ins Redaktionssystem ein, während VerbaAlpina ASCII-kodierte Textdaten und eine Übersetzungstabelle zur Transformation benutzt. Eine Integration der Übersetzungstabellen in "Dweedit" ist vorgesehen, zumindest für den Schritt des SQL-Exports. Des Weiteren fehlt in "Dweedit" bislang eine Funktion zum semantischen Tagging von Volltext-Daten. Eine solche Komponente wird entwickelt. Ein Teil der neuen Datentypen sind auf jeden Fall Geo-Informations-Daten in VerbaAlpina. Die Systeme müssen also miteinander kompatibel gemacht werden.

3. Beispiele

3.1. Artikelaufbau

Die Artikel sind, wie folgt, strukturiert:

  • Z: Zusammenfassung
  • B: Belege
  • M: Morphologie
  • L: Lautliche Besonderheiten der Dialektformen
  • WB: Wortbildung
  • WG: Wortgeschichte, Semantik, Sachgeschichte
  • S: Semantik
  • Egerm: Etymologie innerhalb der germanischen Sprachen
  • Eidg: Etymologie innerhalb der indogermanischen Sprachen
  • WF: Eingliederung ins Teilwortfeld
  • DK: Dialektales Konzept
  • Lit.: Literaturangaben mit Zuordnung der entsprechenden Fachliteratur zu diesen Siglen

3.2. Beispiele für Z, B, L, WB, S, Egerm, Eidg

3.2.1. Beispiel für ein nur im Oberdeutschen bezeugtes Wort

Senn, Senne m. „Almhirt, der auf der Alm die Milch zu Butter und Käse verarbeitet“.

Z: Das Wort, das nur in obd. Dialekten bezeugt ist und Entsprechungen allein in roman. Dialekten hat, ist ein Lehnwort aus einem kelt. Dialekt. Die Vorform ist ein im Kelt. unbelegtes *sfani̯on‑ ‚der, der mit Milch zu tun hat‘ → ‚Melker‘. Die Basis urkelt. *sfani̯o‑ ‚Milch‘ entspricht genau ahd. spunni ,Muttermilch‘ < urgerm. *spuni̯a‑. Die Bed. ‚Milch‘ ist durch urkelt. *sfani̯ā‑, das in nfrz. dial. sẹnyọ ‚Milchbehälter‘ entlehnt ist, gesichert.

3.2.2. Beispiele für im Oberdeutschen und in anderen Dialekten bezeugte Wörter

Bair.‑österr. Dürnitz (THEW)

Bair. –österr. Dürnitz f. ‚Raum in einem größeren Gebäude mit bestimmten Funktionen, Speise‑ und Schlafzimmer für die Bediensteten, Badestube, Gastzimmer‘, schwäb. Dürnitz f. ‚in Schlössern und dergleichen großer beheizbarer Raum‘, steir. Durnitz f. ‚für besondere Zwecke bestimmtes Gemach‘.

Z: Thür. Dörnse f. ‚(größere) beheizbare Stube‘ ,geht auf einen bis ins 11. Jh. n. Chr. zurückreichenden Entlehnungsprozess aus den westslawischen Sprachen des Gebietes zwischen Ostseeküste in Pommern und Westpolen zurück: polab. dvarneicia ‚heizbare Stube‘, kaschub. dorńica ‚Stube‘, slowinz. dwornica ‚id.‘. Die westslawischen Substantive sind eine nominale Weiterbildung zu urslaw. *dvòrъ m. ‚Hof‘ (~ aksl. dvorъ ‚Hof‘, russ. dvor ‚id.‘, serb., kroat. dvȏr ‚id.‘, slowen. dvòr ‚id.‘). Innerhalb der Indogermania entsprechen dem urslawischen Wort genau lat. forum n. ‚Vorhof, Markt, Marktplatz, freier Platz‘ und umbr. furo n. ‚Makrtplatz‘.

B: Bei dem thüringischen Substantiv handelt es sich um ein heute veraltetes frühneuhochdeutsches Wort, das verstreut vom frühen 14. bis in 17. Jh. n. Chr. in Thüringen bezeugt ist. Im Mitteldeutschen erscheint es sonst nur in dem ebenfalls heute ungebräuchlichen osächs. Dörnse dornicz, dorntze, dornse f. ‚heizbarer Raum‘. Daneben ist das Wort in den meisten niederdeutschen Dialekten bezeugt: pomm. Döns f. ‚heizbare Stube im Bauernhaus‘, brandenburg.‑berl. Dönse, Dörn(t)se f. ‚id.‘, meckl. Döns, Dönsk, Dönz, Dörnz f. ‚heizbares Zimmer, Stube‘, westfäl. Dörntse f. ‚Stube, beheizbarer Raum, Wohnstube deren Dielen mit weißem Sand bestreut waren, Haus, Hütte‘, mittelelb. Dörnse f. ‚Wohnstube im Bauernhaus, kleine abgetrennte Stube‘, schlesw.-holst. Dörnsch, Döns, Dörnse f./m. ‚Wohnstube, Stube‘, nsächs. Dönze f. ‚Wohnstube‘.

L: Die lautliche Vielfalt der Dialektbelege lässt sich nicht unter einem etymologischen Ansatz vereinen und spricht so zusammen mit der Verteilung der Dialektbelege für ein slawisches Lehnwort.

bair. Etter ,Zaun‘ (THEW, EWA)

bair. Etter m. „Zaun“, schwäb. Etten „Weidengeflechte an Flüssen, um das Wasser zu dämmen oder seinem Laufe eine andere Richtung zu geben“, Etter m. „Zaun; Umzäunung im Allgemeinen“, tirol. Etter m. „geflochtener Zaun“, voralb. Etter m. „Zaunholz; Zaun; der Zaun, der die Ortschaft umgab“ und schweiz. Etter m. „Geflecht von Gerten oben an einem Zaun; geflochtener Zaun; Torgatter; Saum am Kleid, der die Fältung zusammenhält“.

Z: Das in Thüringen nur in Oberdorla belegte Substantiv Etter ist im gesamten deutschsprachigen Raum nur spärlich bezeugt und sonst auch in einigen Orts- und Flurnamen erhalten (z.B. Ettersberg). Es setzt ahd. etar fort, das zusammen mit as. edar st.m. „Zaunpfahl; Zaunlatte; Gerichtsschranke“ (nur Akk. Pl. ederos), an. jađarr m. „Rand; Kante; Häuptling; Beschützer“ und mndd. ēder m. „Zaun; insbes. geflochtener Zaun; Umzäunung des Dorfes; eingezäuntes Grundstück; Zaunpfahl“ auf urgerm. *eđara‑ zurückgeht. Die urgerm. *eđara‑ zugrunde liegende Wurzel hat u.a. Entsprechungen in aksl. odrъ m. „Bett“ und lat. ebulus m. „Zwergholunder“.

Egerm: Die mundartlichen Nomina haben in ahd. etar st.m. „Pfahl des Zaunes; Zaun“, mhd. et(t)er st.m. „geflochtener Zaun; Umzäunung“ und as. edar st.m. „Zaunpfahl; Zaunlatte; Gerichtsschranke“ (nur Akk. Pl. ederos) direkte Entsprechungen und setzen zusammen mit an. jađarr m. „Rand; Kante; Häuptling; Beschützer“, nnorw. jadar, nschwed. jäder und adän. jæder „Rand; Kante“ urgerm. *eđara‑ fort. Urgerm. *eđara‑ ist auch in mndd. ēder m. „Zaun; insbes. geflochtener Zaun; Umzäunung des Dorfes; eingezäuntes Grundstück; Zaunpfahl“ (mit lautgesetzlicher Zerdehnung des e unter Akzent) belegt, ferner in dem langob. Kompositum iderzon „Etterzaun“. Daneben zeigen an. jǫđurr m. „Rand“ im Kompositum himinjǫđurr „Himmelsrand“ und ae. eodor st. m. „Grenze; Hecke; Hause; Region“ die Suffixvariante ‑ura- (< urgerm. *-ura-). Das im Mittelniederdeutschen neben ēder bezeugte bedeutungsgleiche āder, dessen wurzelhaftes a eine vorurgermanische o-stufige Wurzel voraussetzt, weist zusammen mit dem Suffixwechsel auf ein vorurgermanisches akrostatisches Paradigma *h1ódh-r̥-/h1édh-r̥- (vgl. Lühr Egill 231). Die Wurzel *- findet sich auch in dem mit Suffix -iska- gebildetem substantivierten Nomen ae. edisc m. „eingezäunte Weide; Acker“.

Eidg: Der vorurgerm. r-Stamm *h1ód-r̥- „der spitz Seiende“ liegt dem sekundär thematisierten Substantiv aksl. odrъ m. „Bett“ zugrunde, dem russ. odr „Bett; Couch“ und tschech. odr „Kissen; Gestell; Rahmen“ entsprechen. Zunächst fand eine Bedeutungsentwicklung „der spitz Seiende“ > „Zaun; Gestell“ statt. Das Substantiv erhält in den slawischen Sprachen dann die spezielle Bedeutung „Bettgestell“ und wird schließlich metonymisch auch für „Kissen“ verwendet. Die Wurzel uridg. *h1edh- „stechen; spitz sein“ wird außerdem von der lat. Pflanzenbezeichnung ebulus m. „Niederholunder; Attich“ (< *h1edh-lo-) und gall. odocos „Holunder“ (mit Suffix -ko- sekundär zu dem thematisch vorurkelt. *h1odh-o- gebildet) fortgesetzt. Die Wurzel *h3edh- ist im Keltischen sonst nur in dem Personennamen Odo-beccus belegt. Aus dem Gallischen sind schließlich ahd. atuh „Zwergholunder“, as. aduk, mndd. adek und mndl. adic „id.“ entlehnt. Die im Lateinischen bezeugte Ableitung mit Suffix -lo- ist auch im Baltoslawischen belegt: lit. eglė f. „Tanne“, lett. egle „Fichte“, preuß. addle (< urbalt. *edl-ij̯ā), russ. el̕ f. „Tanne“, atschech. jedl f. „id.“ (< urslaw. *edl-i-).

3.2.3. Beispiel für ein oberdeutsches Wort, das nur im Althochdeutschen vorkommt (EWA; DWEE II)

ahd. alabu ,gesamter Hausrat‘ (EWA; DWEE)

  1. alabu st. m. (wa-St.) „gesamter Hausrat“ ist in einer Glosse (2,10.29) als Übersetzung von lat. suppellectile „dss.“ belegt. Das Wort ist noch im mhd. Adv. albuwes „mit Sack und Pack, mit der gesamten Habe“ bezeugt, danach ist es verschwunden.

W: alabu ist ein Determinativkompositum aus ahd. ala- „all, ganz, gesamt“ und ahd. bu, pu st. m. (wa-St.) „Haus, Gebaude, Wohnstatt, habitatio“ mit der zugrunde liegenden Bedeutung „ganzes Haus / Gebaude (mit Inhalt)“.

Eidg: Der Begriff wurde metonymisch für die Einrichtung oder Ausstattung eines Hauses bzw. Gebäudes, verwendet (ahd. Subst. bu zu as., aengl. , aisl. bu sowie nhd. Bau zur uridg. Wurzel *bheuh2- „werden, sein“, die bei einigen nominalen Ableitungen auch in anderen Sprachen die Bedeutung „Wohnstatt, Haus“ angenommen hat, vgl. air. both (ā, f.), kymr. bod „Haus, Hutte“ (< urkelt. *butā- < uridg. *b huh2-teh2- mit Dybos Gesetz), alit. buta, nlit. butas „Heim, Haus“ sowie ai. bhavana- n. „Wohnung, Wohnstatte, Haus“ (< uridg. *bheu̯h2-eno- oder *bhou̯h2-eno-).